Dr. Dr. Thomas Fröhlich
* Kinderarzt
* Allergologie
* Psychotherapie
In den Brunnenwiesen 4
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Privat: Kaiserstr. 11a
D-69115 Heidelberg
27.09.01


Dr. Dr. Th.Fröhlich, Kaiserstr. 11a, 69115 Heidelberg


Liebe Mitbewohner der Kaiserstrasse,

Ich habe den Abriß des Gründerzeithauses Kaiserstrasse 4 dokumentiert, den Garten photographiert, wie er vorher war, wie Sie den Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung gelesen, nach dem auch die Kaiserstrasse als Teil der Weststadt zu einer Teilzone eines Kulturerbes von Weltrang erklärt werden soll. In einer aktuellen Ausgabe des Magazins "Spiegel" wird Klage darüber geführt, daß Gründerzeitbauwerke vernichtet werden, obwohl Deutschland durch den zweiten Weltkrieg bereits zwei Drittel seiner historischen Bausubstanz für immer verloren hat.

Ein Immobilienmakler hat nun in unserer Straße ein Haus erworben, es unter Nutzung denkmalsrechtlicher Lücken vernichten und ein neues Haus an derselben Stelle errichten lassen. Prüfen wir, wie er und sein Architekt sich zu dem Kontext, in dem das historische Gebäude stand, verhalten.

Die Fassaden der Häuser, die unserem Teil der Weststadt ihr Gesicht geben, sind reich gegliedert. Die Architekten jener Zeit bemühten sich, jedem Haus im Rahmen eines vielfach genutzten Stils ein eigenes Gepräge zu geben. Fenstersimse, Türfassungen, aufwendig gestaltete Treppenhäuser mit Fenstern aus farbigem Glas: an allem freut sich der Bewohner, der Nachbar, der Passant, der Besucher. Es ist Ausdrucksmittel der Besitzer, aber zugleich eine Gabe an die, die nur vorbeigehen oder tagaus tagein auf diese Fassaden schauen, weil sie in der Nachbarschaft wohnen und arbeiten.

Die Fassade des Hauses, das an Stelle des Abgerissenen steht, hat keine Gliederung. Tote Augen die Fenster der Seitfront, Bürofenster sonst, gehobener Allerweltsstil. Ein gewisser Wohlstand des Besitzers wird durch Material und Größe augenscheinlich gemacht, die Passanten und Nachbarn interessieren nicht. Sie starren auf kahle Wände und spiegelndes Glas. Eine Architektur, die in Darmstadt, Wiilhelmshafen, Rostock, Kassel, Bochum, also überall und überall gleich zum Einsatz kommt. Daß sie für ein Haus in unserem Kontext genutzt wird, ist Zufall, es könnte jeder andere genausogut sein.

Zur Zeit, in der das Viertel seine Gestalt annahm, nahm man auf den Baustil der Umgebung Rücksicht. Nicht sklavisch, Variationen gibt es in Fülle, aber doch so, daß kein Haus in ortloser Beliebigkeit aus dem Kontext herausfällt. Es entsteht ein Ensemble-Effekt, ein Mikrokosmos, eine Ordnung höheren Grades, die in sich den Bewohnern und Passanten Lebendigkeit in Geborgenheit gewährt - und ganz einfach ästhetisches Vergnügen, für das sie, was die Nachbarhäuser angeht, nichts bezahlen müssen. Eine Gabe.

Der neue Hausbesitzer des Hauses Kaiserstrasse 4 gibt nicht, er nimmt. Eine hohe Quadratmetermiete, ein Maximum an verwertbarem Raum. Selbst was er scheinbar gibt - die "Grünfläche", ist nur sichtbarer Beleg für den Eifer rückstandsloser Grundstücks-Verwertung.
Die Rücksichtslosigkeit, die hier zu Stein und ein paar Grashalmen wurde, findet keine Rechtfertigung. Wird Wohnraum gebraucht, kann man ihn anbieten, ohne einen faden Klotz in ein gewachsenes Ensemble zu setzen. Man kann restaurieren, liebevoll renovieren, einen verwilderten Garten wieder nutzbar machen, Respekt vor geschichtlicher Unwiderruflichkeit haben und - wenn man nicht ein armer Schlucker ist, auch anderen etwas geben, oder eine vormalige Gabe - etwa ein Stück Wiese, einfach Luft und freien Raum zwischen den Haüsern - bewahren.

Wer nur nimmt, sollte dazu stehen. Gewinn, der kulturlos und rücksichtslos erzwungen wird, ignorant gegen Geschichte und Umgebung - mehr sagt die Fassade nicht, und mehr braucht der neue Eigner dazu nicht zu sagen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Dr. Thomas Fröhlich


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