Heidelberger Friedensratschlag

Offener Brief an die Bundestagsabgeordneten von Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis vom 9. November 2001:

Keine Stimme für den Krieg in Afghanistan

 


An Frau Angelika Köster-Lossack, Herrn Lothar Binding, Herrn Karl A.Lamers, Herrn Dirk Niebel, Herrn Bernd Schmidbauer und Herrn Gert Weisskirchen

Betr. : Keine Stimme für den Krieg in Afghanistan


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

Wir, eine Gruppe Heidelberger Bürgerinnen und Bürger, die sich in diesem Herbst aus Sorge über die Eskalation von Gewalt und Gegengewalt zum Heidelberger Friedensratschlag zusammengeschlossen haben, bitten Sie nachdrücklich:

Setzen Sie sich am 15.11. im Deutschen Bundestag für eine politisch-zivile Konfliktlösung und gegen die militärische Beteiligung Deutschlands am Krieg in Afghanistan ein.

Nach den Anschlägen vom 11.9. haben die USA dem Terror den Kampf angesagt und dafür weltweit Zustimmung und Unterstützung erhalten. Auch die deutsche Bundesregierung hat den USA "uneingeschränkte Solidarität" zugesagt.

Inzwischen wird Afghanistan seit mehr als einem Monat bombardiert. Die Not der afghanischen Bevölkerung nimmt mit jedem Tag zu.

Seit dem 5.11. bereitet sich die Bundesregierung darauf vor, die zugesagte Solidarität in die Tat umzusetzen und Militärhilfe zu leisten. In der kommenden Woche findet im Bundestag die entscheidende Abstimmung statt. Wir appellieren an Sie und Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen, sich bei der Stimmabgabe Ihrer Verantwortung bewußt zu sein. Denn sollte die Regierungsvorlage angenommen werden, würde das bedeuten, dass die Bundesrepublik, um Mitglied im Chor der Militärmächte zu sein, wichtige politische und humane Werte und Maßstäbe aufgibt:

  • Die Zielsetzung der USA, den Terrorismus und die Herrschaft der Taliban durch einen kurzen Bombenkrieg zu beseitigen, birgt bereits den Verzicht in sich, Verbrechen auch im internationalen Maßstab nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu behandeln. Weder sind die Beweise gegen Bin Laden gerichtlich geprüft noch ist die eigentlich zuständige Instanz des Internationalen Strafgerichtshofs von den USA anerkannt worden.
  • Die Bombardierung Afghanistans ist ein Vergeltungskrieg, der mit dem Völkerrecht unvereinbar ist.
  • Sollte der Bundestag der Militärhilfe zustimmen, würde Deutschland voraussichtlich demnächst zusammen mit anderen Westmächten in Innerasien militärisch präsent sein. Dadurch aber würden wir maßgeblich zu der Gefahr beitragen, dass der Krieg, der zur Zeit noch begrenzt ist, eskaliert und der Terrorismus sich ausbreitet.
  • Wenn der Bundestag die Regierungsvorlage annimmt, wären wir beteiligt und mitschuldig an einem Krieg, in dem in den kommenden Monaten zahllose Menschen, vor allem Kinder, an Hunger und Kälte zugrunde gehen. Haben wir nicht einmal gesagt: "Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen?"
  • Bei der Annahme der Regierungsvorlage würden 3900 Bundeswehrsoldaten bereitgestellt werden, darunter vermutlich Soldaten der Eliteeinheit Kommandospezialkräfte (KSK). Was ihr Einsatz gegen Bin Laden möglicherweise bedeutet, hat General Reinhard Günzel, Chef der Einheit, in einer Stellungnahme im September unbeschönigt ausgesprochen: "Es würde ein Blutbad geben. Keine Spezialeinheit der westlichen Welt könnte einem solchen Einsatz zustimmen." (Frankfurter Rundschau 22.9.01)
  • Die Regierungsvorlage ermächtigt die Bundesregierung, ohne Einschaltung des Bundestages für einen bestimmten Zeitraum über die bereitgestellten militärischen Kräfte zu verfügen. Dies entspricht einer Selbstentmachtung des Bundestags.

Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass es um den "Schutz der eigenen Werte" geht. Um den "Schutz eigener Werte" und Maßstäbe geht es auch uns.

Deshalb bitten wir Sie:

Setzen Sie sich dafür ein,

  • dass gegen den internationalen Terrorismus Maßnahmen ergriffen werden, die mit rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Grundsätzen vereinbar sind,
  • dass der 1998 beschlossene internationale Strafgerichtshof möglichst umgehend seine Arbeit aufnehmen kann,
  • dass internationale Konfliktpotentiale, wie z.B. das Embargo gegen den Irak, dem bereits über eine halbe Million Kinder zum Opfer gefallen sind, abgebaut werden,
  • dass die Bombardierung Afghanistans gestoppt wird und unverzüglich wirksame Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden, damit die drohende Katastrophe abgewendet wird, und
  • dass die Bundesregierung ihre Sorge um "unsere eigenen Werte" dadurch beweist, dass sie sich intensiv an ziviler und politischer (nichtmilitärischer) Konfliktlösung beteiligt.

Das aber heißt:

Sagen Sie "Nein" zur militärischen Beteiligung Deutschlands am Krieg gegen Afghanistan!

Mit freundlichen Grüßen

(Für den Heidelberger Friedensratschlag: )

Renate Wanie, Kaiserstr.48, 69115 Heidelberg
Ulrich Wohland, Kaiserstr.48, 69115 Heidelberg
Jürgen Glöckler, Mittelgasse 19, 69493 Hirschberg
Mia Lindemann, Am Fürstenweiher 10/1, 69118 Heidelberg
Eberhard Gretz, Am Fürstenweiher 10/1, 69118 Heidelberg
Gudrun Harke, Am Fürstenweiher 55, 69118 Heidelberg
Peyman Arpacilar-Köllhofer,, Bienenstr.7, 69117 Heidelberg
Margit Weisskirchen, Quinckestr.51, 69120 Heidelberg
Agnes Bennhold, Bauamtsgasse 8, 69117 Heidelberg
Rose Lang, Bahnhofstr.108, 69151 Neckargemünd
Susanne Himmelheber, Steingasse 9, 69117 Heidelberg
Vera Glitscher, Ringstr.11, 69115 Heidelberg
Gerhard Lind, Lauerstr.6,69117 Heidelberg
Arnulf K. Lorentz, Kaiserstr.48, 69115 Heidelberg
Gerlinde Horsch, Schloßberg 4, 69117 Heidelberg
Ellen-Sigrid Dilthey, Schillerstr.16, 69115 Heidelberg
Nahid Khaki, Klingenteichstr.19b, 69117 Heidelberg
Rose Kändler, Schröderstr.49, 69120 Heidelberg
Dr. Joachim Kändler, Schröderstr.49, 69120 Heidelberg
Annette Dannenberg, Kleingemünder Str. 113/2, 69118 Heidelberg


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