Diskussionsbeitrag von Bettina Keene-Rauterberg (Verteterin der Bürgerinitiative)

Danke für die Einladung , eine Gelegenheit zur Diskussion, die wir sehr begrüßen. Ähnliches hatten wir uns auch überlegt.

Zu allererst möchte ich jedoch dem polemischen Titel der Diskussion widersprechen: Nach unserer Überzeugung war das alte Sandstein- Gebäude mit seinen historischen Details sehr wohl schützenswert.
Wir sind nicht glücklich über das neue Gebäude. Wir finden, dass es sich nicht in die Umgebung einfügt.
Es ist zu groß, zu quaderförmig, es wirkt wie ein Fremdkörper in dieser Straße, wenn man von dem Nachbarhaus- nach dessen Modernisierung in den 60 er Jahren- absieht. Es ist zu grau, zu nüchtern und zu schwer. Es hat Opfer gekostet, was Grün, Bäume und Luft betrifft.

Es ist aber auch keine wirklich moderne Kreation, die die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet widerspiegelt. Der Gedanke, in einem Mietshaus menschliche Begegnung zu ermöglichen, was sich z. B. in einem Atrium etc verwirklichen ließe, ist nirgendwo erkennbar. Die Fenster haben das Format der 70 er Jahre, das Designer-Grau an Geländer, das aussieht wie ein Strich-Code- und an dem Wellblechdach über dem Eingang ist farblich zu kalt neben den Sandsteinfassaden der Nachbarschaft. Das Gebäude fügt sich weder ein, noch hat es eine ganz zeitgenössische architektonische Handschrift. Es ist klotzig und kahl. Ein filigraneres Gebäude hätte in jedem Fall besser gepasst..

Der beste Anblick ist von Innen, von dem aus man die alte Bausubstanz genießen kann. Übrigens erschien
am Samstag in der RNZ ein Objekt, das die Firma Kraus anbietet, als Foto mit einer fast identischen Architektur, auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich. Das sieht nach Sparsamkeit beim Entwurf aus und lässt nicht gerade vermuten, dass in Bezug auf die jeweilige Umgebung besonders Rücksicht genommen worden ist.

Warum ist diese Haus von der Stadt nicht öffentlich zum Verkauf angeboten worden? Es gab nachweislich mehrere private Interessenten , die 1. vermutlich einen höheren Preis bezahlt hätten und 2. die alte Substanz liebevoll restauriert hätten. Dieses schöne Grundstück mit Haus und Garten von 788m 2 für weit unter einer Million DM abgegeben, was höchstens die Hälfte des üblichen Baugrundpreises in dieser begehrten Gegend bedeutet. Sicher ist -laut RNZ-, dass die Auflage, Wohnungen zur Unterbringung von sozial Schwachen bereitzustellen, vom Bauträger für die bescheidene Summe von 50.000 DM abgelöst werden konnte.
Warum verkauft eine Stadtverwaltung, die immer unter Geldknappheit leidet, so unter dem marktüblichen Preis?

Um dem Argument der Wohnungsbeschaffung zu entgegnen: Es haben sich in den letzten Jahren so viele neue stadtnahe Möglichkeiten aufgetan: Glockengießerei, Bahninsel, Ochsenkopf, Eichendorff-Forum- dieser Profitklotz in dieser empfindlichen, schon von mehreren Bausünden geschädigten Gegend war nicht nötig.

Um dieses Haus hat es lange Querelen und Diskussionen gegeben.

Schließlich hat der Bauträger gewonnen, trotz Unterschriftensammlung, Protesten aus der Nachbarschaft, juristischen Auseinandersetzungen, trotz er dringenden Empfehlung des Bezirksbeirates, die alten Bausubstanz zu bewahren, und trotz einer deutlich mehrheitlichen Entscheidung im Gemeinderat für eine Veränderungssperre genau in diesem Straßenviereck.Leider geschah dies erst beim 2. Anlauf, denn vorausgegangen war eine Art Verzögerungstaktik der Opposition im Gemeinderat mit Hilfe von Herrn Raban von der Malsburg und Herrn Lachenauer. Das Ergebnis war, dass die Veröffentlichung dieser Veränderungssperre knapp von dem Antrag des Bauträgers überholt wurde, und damit zunichte gemacht wurde.

Schließlich hat die Baubehörde in Karlsruhe ihre Einwilligung erteilt, ein Entscheidungsprozess, dessen Ergebnis der Bauträger schon vorher wusste. Die Empfehlung Heidelberger Bürger wurde ignoriert, die mehrheitliche Entscheidung des Gemeinderates wurde übergangen. Entschieden wird in Karlsruhe. Da gibt es gute Gründe, sich als Heidelberger zu ärgern.

Als Beate Weber ihre Amt antrat, wurde viel von Beteiligung der Bürgerschaft gesprochen.
Davon kann jedoch bei der Stadtplanung keine Rede sein. Hier in Heidelberg werden die Entscheidungen von finanzstarken Bauträgern gefällt. Die Stadt überlässt ihnen das Bauen. Bei Konflikten gehen die Stadt und Gemeinderatsvertreter in den Rückwärtsgang, weil sie Angst vor dem Verlieren haben:"Es hat ja doch keinen Zweck".

Der berühmte § 34, ein vielseitig verwendbarer Gummi-Paragraph, macht es dem Bauträger leicht. Im Falle der Kaiserstr.4 machten vorangegangenen architektonische Sünden es leicht, weitere dieser Art zu ermöglichen unter dem Begriff " es fügt sich ein". Die Höhe eines etwas groß geratenen relativ weit gelegenen Hauses wird als Maßstab genommen. Jeder Fehler ermöglicht eine Folge-Fehler, bis man dann sagt: Jetzt ist sowieso alles verdorben, jetzt kommt es auf nichts mehr an.

Diese absurde Argumentation wurde sogar in der RNZ zum empfindlichsten Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Neubau in Form von Bildern einiger Bau-Scheußlichkeiten in diesem Quadrat unter dem suggestiven Titel "Kaiserstrasse 4 und ihr Ambiente" dargeboten. Das Modell des Architekten diente als Foto-Blickfang und der Zeitpunkt war -laut Fotografen- "rein zufällig".

Die Vorstellung, wie in den 60er, sogar bis in die 70er Jahren das Quadrat Kaiserstrasse, Häusserstrasse, Bunsenstrasse, Rohrbacherstrasse ausgesehen hat und was an Zerstörungen und Hässlichkeiten seitdem dort geschehen sind, das kann einen nur traurig und wütend stimmen. Warum schützen wir unsere Stadt nicht mehr, nach dem Glücksfall einer Nichtzerstörung im letzten Weltkrieg. Warum sind so viele Neuvorhaben von Rechtsunsicherheit geprägt und und warum sind die Ergebnisse des "freien Marktes" oft so zum Nachteil unserer schönen Stadt?

Um diesen Streitigkeiten und willkürlichen Einzelentscheidungen künftig zu verhindern, brauchen wir dringend
einen Bebauungsplan oder zumindest eine Erhaltungssatzung in der Weststadt. Seitdem die Altstadt
rechts und links des Neckars unter Gesamtschutz steht, verstärkt sich der Druck auf die stadtnahen Gebiete. Deswegen brauchen diese Stadtteile- wie auch Handschuhsheim und Neuenheim- dringend Schutzsatzungen, damit man weiteren Projekten und Bauvorhaben in Heidelberg ohne Sorge entgegen sehen kann.