Zensur nicht nur im Krieg
Irak-Demo am Sa 22.3. in HD

mehr>>>Reden am 22.3.2003/Bilder-al

Teile der Demo-Veranstalter aus dem Heidelberger Friedensratschlag kamen nach der Rede von Dorothea Paschen am Donnerstag (Tag X) zu der Meinung, dass am Samstag entgegen der Vereinbarung doch keine "Regierungspartei" sprechen sollte. Fritz Kuhn und Lothar Binding durften daher nicht zu den etwa 7000 Anwesenden sprechen. Wir zitieren hierzu den Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung und ein Statement des evangelischen Dekans Bauer:

"Und der Maulkorb passt auf jeden Mund": Auch die Bundstagsabgeordneten Lothar Binding und Fritz Kuhn hatten zu der Kundgebung aufgerufen, doch die eigentlichen Initiatoren verweigerten ihnen das Rederecht. Binding warf dem Friedensbündnis Zensur vor. Die Redebeiträge der Organisatoren hätten den Völkerrechtsaspekt einseitig dargestellt. Kuhn
meinte: "Vor sechs Wochen hat man uns noch gesagt, wir würden mit unserem Nein zum Irak-Krieg Deutschland international isolieren. Jetzt müssen wir uns auf einer Friedesndemo sagen lassen, dass wir nicht reden dürfen." Zum Zeitpunkt der Demonstration beriet in Berlin das Sicherheitskabinett über den Abzug der Awacs aus der Türkei. Auch dazu wollte Kuhn etwas sagen. Doch trotz des Redeverbotes: Das Demonstrationsrecht ließen sich die Abgeordneten
nicht nehmen und marschierten bis zum Hauptquartier mit. RNZ, 24.3.03., hob

Steffen Bauer, Dekan der evangelischen Kirche Heidelberg: "...dass ich inhaltlich die politische Position "Überflugrechte" der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien nicht teile, aber dennoch eine Redebeteiligung der beiden (Binding und Kuhn) sehr begrüßt hätte. ... Ganz problematisch halte ich aber eine Art Zensur inhaltlicher Art. Es gibt auch in meiner Kirche nicht nur Radikalpazifisten, sondern das Spektrum ist groß. Was uns in dieser Problematik eint ist, dass wir diesen Krieg nicht wollen. Diese grundsätzliche Übereinstimmung ist mir so wichtig, dass ich akzeptieren kann, wenn einzelne zu unterschiedlichen Konsequenzen aus
dieser Überzeugung kommen ...

cw 24.3.2003

Betreff: Anti-Kriegs-Koalition
Datum: Mon, 24 Mar 2003 18:08:27 +0100
Von: "Bauer, Dr. Steffen"
An: "'joachim.guilliard"
CC: "Christoph Nestor"

Guten Abend Herr Guillard!

Zunächst einmal möchte ich Ihnen nochmals danken für all Ihr Engagement in der "Anti-Kriegs-Koalition" in und für Heidelberg. Das war und ist großartig.

Nun habe ich von den Geschehnissen am Samstag ja nur aus der Presse erfahren, da ich selber nicht anwesend sein konnte und bin zunächst froh, dass diesmal Herr Zedtwitz die Position der Kirchen deutlich gemacht hat.

Leider ist nun aber am Rande genau das passiert, was meines Erachtens ganz problematisch ist. Auch in der Presse ist nun deutlich geworden, dass die Geschlossenheit der Anti-Kriegs-Koalition brüchig ist. Ich möchte Ihnen einfach sagen, dass ich inhaltlich die politische Position
"Überflugrechte" der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien nicht teile, aber dennoch eine Redebeteiligung der beiden (Binding und Kuhn) sehr begrüßt hätte. Es wäre entweder gut gewesen, wenn die beiden sich in der Frage von der Regierungsmeinung hätten distanzieren können oder - im anderen Falle - hautnah erlebt hätten, dass die dort versammelten Menschen diese Haltung
verneinen.

Nun kann ich noch akzeptieren, wenn man generell der Meinung ist, dass Parteienvertreter auf so einer Kundgebung nicht reden sollten (für richtig halte ich aber auch dies nicht). Ganz problematisch halte ich aber eine Art Zensur inhaltlicher Art. Es gibt auch in meiner Kirche
nicht nur Radikalpazifisten, sondern das Spektrum ist groß. Was uns in dieser Problematik eint ist, dass wir diesen Krieg nicht wollen. Diese grundsätzliche Übereinstimmung ist mir so wichtig, dass ich akzeptieren kann, wenn einzelne zu unterschiedlichen Konsequenzen aus dieser
Überzeugung kommen.

Lieber Herr Guillard, bitte bedenken Sie auch, dass wir solch ein breites Bündnis nicht nur jetzt brauchen. Die Frage nach der politischen und ethischen Meinungsbildung zum Thema "Krieg" fängt ja jetzt überhaupt erst noch einmal neu an. Dieses Bündnis ist gerade in seiner Breite ein
kostbares Gut, dass weiß ich als Vertreter der größten Religionsgemeinschaft in Heidelberg nur zu genau. Von daher bitte ich Sie, Ihre Überzeugung nochmals zu überdenken. Gerne können Sie dieses Mail gegenüber politischen Gesprächspartnern verwenden.

Seien Sie herzlich gegrüßt
Ihr Steffen Bauer


-------- Original Message --------
Betreff: Re: Anti-Kriegs-Koalition
Datum: Tue, 25 Mar 2003 02:18:45 +0100
Von: Joachim Guilliard
An: "Bauer, Dr. Steffen"

Auch Ihnen einen guten Abend, Herr Steffen!

Vielen Dank für Ihr ausführliches Schreiben und die anerkennenden Worte. Ich möchte Ihnen auch noch einmal danken, dass sie trotz engem Terminplan am Donnerstag auf dem Bismarckplatz gesprochen haben. Falls Sie Ihre Rede in digitaler Form vorliegen haben, möchte ich Sie bitten, sie mir zuzusenden, damit ich sie auf unserer Internetseite dokumentieren kann.

Auch ich bin bestimmt nicht glücklich darüber, wie sich die Auseinandersetzung um das Rederecht von Lothar Binding und Fritz Kuhn entwickelt hat. Am besten wäre es gewesen, wir hätten die Frage, ob Abgeordnete reden sollten oder nicht, in einem gemeinsamen
Vorbereitungstreffen mit breiter Beteiligung diskutieren können.

Es war allerdings nicht die alleinige Entscheidung unseres Forums, als offiziellem Veranstalter, gewesen. Es gab am Freitag viele Telefongespräche mit dem Ergebnis, dass die Meisten, die die bisherigen Demonstrationen mitgetragen haben, z.B. auch die Gewerkschaften, der
Meinung waren, es wäre besser, die Abgeordneten nicht reden zu lassen, sondern die beiden Parteien zu bitten, weniger exponierte Vertreter zu benennen.

Es ging dabei keinesfalls, wie von der RNZ unterstellt, um inhaltliche Zensur, sondern darum, dass es sich um Mandatsträger handelt. Indem die Friedensbewegung sich zur Regel machte, prinzipiell keine arteienvertreter reden zu lassen, konnte viel zeitraubender Streit und
parteipolitisch gefärbte Auseinandersetzungen vermieden werden. Auch auf der großen Demonstration in Berlin sprachen beispielsweise keine Vertreter von Parteien, auch
nicht der PDS.

Ein anderer Grund ist auch, dass Abgeordnete verhältnismäßig gute Möglichkeiten haben, ihre Meinung einer größeren Öffentlichkeit kundzutun – im Gegensatz zu Vertretern vieler Organisationen und Gruppen. Auch daher halten wir es für besser bei diesen Gelegenheiten
Gewerkschafter, Kirchenleute, Menschenrechtler, Schüler- und Studenten etc. zu Wort kommen zu lassen.

Aktuell wollten wir natürlich auch vermeiden, daß es vor dem Hauptquartier zu heftigen Unmutsäußerungen, Pfiffen etc. kommt, da dies nicht das Bild ist, das wir vor dem Hauptquartier bieten wollten. Das Verhältnis vieler aus der Friedensbewegung zu den Abgeordneten von SPD und Grünen ist seit dem Jugoslawienkrieg nun mal schwer belastetet. Viele, und nicht zuletzt auch viele von denen, die bis vor vier Jahren noch Mitglieder dieser
Parteien waren, reagieren da sehr emotional. Da muss erst langsam wieder Vertrauen entstehen.

Ich halte nach wie vor unseren Vorschlag, doch andere RednerInnen zu benennen, die weniger exponiert sind und so in Ruhe die Positionen ihrer Parteien hätten wiedergeben können, für einen vernünftigen Kompromiss – wir würden im Interesse eines breiten Bündnisses von unserem Grundsatz etwas abgehen und die beiden Parteien verzichten auf den Auftritt ihrer Abgeordneten.

Die Hartnäckigkeit der beiden Parteien verstärkt bei uns natürlich den Verdacht, dass es diesen weniger um eine möglichst gute Demonstration und die Darlegung ihrer Haltung ging, sondern um die Profilierung ihrer Abgeordneten. Gerd Jünger, der Vorsitzende der Grünen vom KV Kraichgau-Odenwald, der seit längerem aktiv im Bündnis mitarbeitet, konnte im übrigen ohne weiteres sprechen

Ein Forum, wo wir sehr gerne auch die beiden Abgeordneten hören würden – genau auch in dem Sinne, den sie beschreiben – wäre eine Podiumsdiskussion zum Thema. Sie fanden einen solchen Vorschlag, so wie ich verstanden habe, überlegenswert und ich hoffe, dass wir sehr bald eine solche Veranstaltung organisieren können.

Am kommenden Donnerstag wollen Vertreter von Grünen und SPD zum nächsten Treffen des Bündnisses kommen (um 20 Uhr im DAI) um die Angelegenheit auch im Hinblick auf die kommenden Demonstrationen noch einmal zu diskutieren. Das ist sicherlich der beste Weg. Dabei können wir auch darüber reden, welche inhaltlichen Schwerpunkte eigentlich die kommenden Kundgebungen haben müssten.

Ich gebe ihnen auch völlig recht, dass es wichtig ist, uns um ein längerfristiges und möglichst breites Bündnis gegen kommende Kriegsgefahren und für zivile Formen der Konfliktbewältigung zu bemühen. Sie können versichert sein, auch ich war und bin stets bereit, bei Übereinstimmung in den wesentlichen Zielen, Differenzen im Detail zu akzeptieren.

Herzliche Grüße,
Joachim Guilliard

P.S.: Ich reiche Ihr Schreiben an die anderen, die an der Diskussion
beteiligt waren, weiter.


-------- Original Message --------
Betreff: AW: Anti-Kriegs-Koalition
Datum: Tue, 25 Mar 2003 12:47:15 +0100
Von: "Bauer, Dr. Steffen"
An: "'Joachim.Guilliard"

Hallo Herr Guillard!

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung, ich fühle mich da sehr verstanden. Anbei finden Sie meine Rede vom 20. März. Sie ist auch auf der homepage der Evangelische Kirche in Heidelberg nachzulesen: www.ekihd.de Dann noch ein Hinweis mit der Bitte um Weitergabe am Donnerstag. Wir laden ein zum nächsten ökumenischen Friedensgottesdienst am Freitag,
den 28. März um 18.00 Uhr in die Heiliggeistkirche.

Haben Sie herzlichen Dank

Ihr Steffen Bauer

 

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