Gastkommentar:
Ja - wem gehört die Stadt – den (welchen) Bürgern?
Es ist völlig richtig, dass Gemeinderat und Verwaltung (incl. OB) die Bürgerschaft weit mehr wie bisher frühzeitig und dauerhaft an Entscheidungen beteiligen sollten, wenn unsere wertvolle demokratische Kultur erhalten oder gar ausgebaut werden soll. Erste Schritte sind mit den lobenswerten neuen Heidelberger Bürgerbeteiligungsleitlinien („Werkzeugkasten“) gemacht - am Ziel ist nichts.
Vor der Beteiligung stehen nun mal Information und Transparenz, ohne die es keine Chance für alle (!) Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung gibt. Da reichen eine Lokalzeitung, ein Stadtblatt und eine städtische (Such)Seite nicht aus, weil sie alle nicht so informieren, wie es der unbedarfte Durchschnittsbürger braucht: „Fakten auf den Tisch“ statt „Meine Meinung ist die richtige“. Erst müssen einmal alle Bürgerinnen und Bürger eine realistische Chance haben, sich mit angemessenem Aufwand die sinnvollen und notwendigen Informationen über Vorhaben ihres Heidelberger Gemeinwesens zu Gemüte zu führen, um zu verstehen, um was es z.B. bei der Abwägung von Wohnraumbedarf und richtiger Flächennutzung geht. Dann können sie sich ggfls. in einen Diskussionsprozess einklinken bei sinnvoll angebotenen „Beteiligungsformaten“ aus dem o.a. Werkzeugkasten.
Die Beteiligung der bereits aktiven Bürgerinnen und Bürger aus Bürgerinitiativen ist sehr sinnvoll, reicht aber keineswegs. Schon gar nicht, wenn diese apodiktisch („unmissverständlich“) verkünden, was Bürgerwille ist, ohne sich aber auf die Meinungen der übrigen über 100.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger beziehen zu können, die wiederum unter dem o.a. Informationsmangel mal mehr und mal weniger leiden. Respekt gilt jeder Initiative von Bürgern. Bürgerbeteiligung ist aber kein Privileg von Profi-Bürgern, die organisiert mit vielen Emotionen ihre Sicht vertreten. Sie sind eben auch nur ein Teil der demokratischen Öffentlichkeit. Viele Bürger sind aktiv ohne in BIs oder Parteien zu sein. Die brauchen wir im demokratischen Diskussionsprozess. Und trotzdem entscheidet am Schluss nun mal der Gemeinderat. Abgesehen davon wäre der eine oder andere gut vorbereitete Bürgerentscheid auch sehr sinnvoll.
Der Dialog zwischen Bürgerschaft, Verwaltung und Gemeinderat läuft schon lange. Bloß wie? So lange jede Partei und jede BI einzeln definiert, was „im Sinne derer (ist), die in dieser Stadt leben“ und den anderen dies abspricht, kommen wir nicht weiter. Die Veranstaltung am 28.7. war weder der Beginn einer neuen Ära noch hat sie den Mangel an Kommunikation mit allen Bürgern überhaupt angesprochen. Auch der OB hat bisher kein Konzept hierfür.
Wann gibt es eine bürgerorientierte, fragenorientierte Internetseite über die Projekte der Stadt. Die Vorhabenliste (http://ww2.heidelberg.de/vorhabenliste/) war ein erster Schritt in diese Richtung. Die neue Internetseite der Stadt kann das nicht leisten. Und ein Nicht-Internet-Anlaufpunkt wie etwa der Pavillon auf dem zentralen Bismarckplatz ("Bürger-Infopavillon") würde dieser Sache dienlich sein.
Die Stadt gehört allen. Also müssen auch alle bedacht werden.
Christoph Nestor 4.9.2014
Kennzeichnung der Polizei:
Ausübung staatlicher Macht bedarf der Kontrolle
Es ist nicht zu fassen, wie SPD,CDU und FDP sich zur Frage der
Kennzeichnung der Polizei äußern. Der SPD Innenminister will trotz
Festlegung im Koalitionsvertrag noch einmal neu verhandeln.Der
Landesvorsitzende der CDU bezeichnet die Diskussion innerhalb der
Koalition als "absurdes Theater". Und der Fraktionschef der FDP fordert den
Innenminister auf, die "unnötige und fahrlässige Kennzeichnungspflicht" zu
verhindern. Die beiden Polizeigewerkschaften sind ohnehin seit jeher
dagegen. Für die Kennzeichnung zu sein, ist offensichtlich ein
Alleinstellungsmerkmal der Grünen. Hierauf kann sie stolz sein, denn sie
erweist sich damit als deutlich demokratischer als die anderen Parteien.
Laut Art. 20 Grundgesetz "geht alle Staatsgewalt vom Volke aus". Die
Polizei übt das staatliche Gewaltmonopol im Auftrag des Volkes aus. Art.
19 Grundgesetz fügt hinzu:" Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in
seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen".Damit wird
ausgedrückt, dass die Ausübung öffentlicher Aufgaben der Kontrolle durch
die dritte Gewalt bedarf. Wer diese sog. Rechtsweggarantie ernst meint,
muss auch dafür sorgen, dass Staatsdiener, die andere bei der Ausübung
ihres Berufes in ihren Rechten verletzen, identifiziert werden können.
Insbesondere Polizisten, die für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und
Ordnung immer wieder gezwungen sind, auch physische Gewalt gegen Störer
anzuwenden, sind besonders gefährdet, im Einzelfall die Grenze zwischen
legalem und illegalem Einschreiten zu verfehlen. Es handelt sich um, wie
der Jurist sagt, "gefahrgeneigte" Arbeit, die die Polizei zu verrichten
hat. Gefahrgeneigt ist auch der Betrieb eines Kfz. Deshalb zieht keiner
in Zweifel, dass diese ein amtliches Kennzeichen tragen müssen. Der Gedanke
hinter beiden Beispielen ist derselbe: Der Schädiger soll identifiziert
werden können, um, falls nötig, die Gefahrenquelle zu beseitigen und dem
Geschädigten einen realistischen Schadensersatzanspruch zu geben. Im Fall
der Polizei verlangt dies sogar unser Grundgesetz.
Das Gegenargument der Polizeigewerkschaften ist nicht schlagend. Bei
anonymer Kennzeichnung ist der einzelne Polizeibeamte nicht durch
Vergeltungsmaßnahmen von Leidtragenden polizeilicher Gewalt gefährdet.
Andererseits erhöht die Kennzeichnung das Vertrauen der Bevölkerung in
"ihre Polizei". Die Berufsvereinigung grüner Polizisten ("PolzeiGrün") hat
diesen Zusammenhang schon seit langem erkannt. Der grüne Ministerpräsident
scheint mit seiner Bemerkung, dass man im Ausnahmefall, "wenn es gegen
bekannte, gewaltbereite Gruppen geht, auch auf die Kennzeichnung verzichten
könne", noch gewisse Akzeptanzprobleme mit der reinen Lehre zu haben.
Dr. Dierk Helmken 19.8.2014
Heidelberg
(Richter a.D.)
Sozialticket – Völlig unverständlich die Strategie des URN
Vorausgesetzt auch der Gemeinderat
stimmt zu, können ab September Inhaber
des Heidelberg-Passes bei den Bürgerämtern
für einen Eigenanteil von 20
Euro Monatskarten für Heidelberg erwerben.
Allerdings fallen
die bisher möglichen Einzelfahrten
zum Kinderpreis weg. Die Gesamtsumme
ist begrenzt, es soll Monatskontingente
in der Reihenfolge der Antragstellung
bei den Bürgerämtern geben.
Dies war der Kompromiss im Sozialausschuss.
Völlig unverständlich die Strategie der
Verkehrsunternehmen: Sie fordern für
ein „Sozialticket“ von der Stadt jährlich
pauschal 1,3 Millionen Euro. Und zusätzlich
35,20 Euro monatlich von jedem
Nutzer, weit mehr als die für „Mobilität“
im Hartz IV vorgesehenen 24
Euro. Die günstige „Karte ab 60“ dagegen
erhalten auch Wohlhabende ohne
Ausgleichszahlungen durch die öffentliche
Hand. Gut, dass die Stadträte im
Sozialausschuss einstimmig (die SPD
enthielt sich) lieber direkt Fahrkarten
für bedürftige Menschen kaufen als
eine hohe Pauschale an den URN zu
zahlen.
Hilde Stolz 10.7.2013
Strafanzeige gegen einen Offenen Brief?
Bei allem Verständnis für den Ärger von Gemeinderat Lachenauer, dass ihm und weiteren 10 Gemeinderäten in dem Offenen Brief verschiedener „Kreativinitiativen“ sein Abstimmungsverhalten als "Amtsmissbrauch" bezeichnet worden ist, muss man die Ankündigung Lachenauers, sich hiergegen mit einer Strafanzeige wegen übler Nachrede zu wehren, als unangemessen bezeichnen. Als Rechtsanwalt weiß Lachenauer sehr wohl, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs "Amtsmissbrauch" im vorliegenden Kontext um eine subjektive politische Bewertung seines Abstimmungsverhaltens handelt und nicht um eine beweisbare oder widerlegbare Tatsachenbehauptung, wie sie der Tatbestand der "Üblen Nachrede" verlangt. Auch eine Beleidigung aller 11 Ausschussmitglieder, die sich für die Konkurrentin von Herrn Zumbruch entschieden haben, wird man in der Kritik nur schwer erkennen können, weil es sich hier um eine Äußerung im (lokal)politischen Raum handelt, in dem Bemerkungen dieser Art noch als legitime (und legale) Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gelten können. Gemeinderat Lachenauer, Vorsitzender der Fraktion „Die Heidelberg“, wäre daher zu empfehlen, keine Strafanzeige zu erstatten.
Für diese Empfehlung sprechen folgende Gründe:
1) Seine verständliche Absicht, sich gegen den Vorwurf zu verwahren, hat er mit dem Abdruck des ausführlichen RNZ-Artikels erreicht.
2) Die Erfolgsaussichten einer Anzeige sind, wie dargelegt, minimal.
3) Die Heidelberger Strafjustiz sollte ihre Arbeitskraft wichtigeren Dingen widmen können.
4) Dünnhäutigkeiten dieser Art verderben auf Dauer das politische Klima im Gemeinderat.
Dr. Dierk Helmken
Schöner Schein - Klima sucht Schutz in Heidelberg? Vergeblich!
Die erste Bürgerkonferenz für den Klimaschutz stand ganz im Zeichen der bereits vollbrachten Anstrengungen Heidelbergs, die, einerseits und leider, allen Bemühungen zum Trotz, für die gesetzten Ziele nicht ausreichen und deshalb die weitere Unterstützung der Heidelberger Bürger benötigen. Ein an und für sich sinnvoller Ausgangspunkt für eine Bürgerkonferenz, die entsprechend viele interessierte und engagierte Bürger ansprach.
Ermuntert von Oberbürgermeister Dr. Würzner und dem Landesumweltminister Untersteller, die beide in ihren Reden die Vorreiterrolle und Vorbildfunktion Heidelbergs heraushoben, ermuntert auch von verschiedenen weiteren Rednern, die sich in der selben Haltung gefielen, wurde, andererseits, schnell deutlich, worum es hier tatsächlich ging: im Vordergrund standen nicht Überlegungen, wie der Klimaschutz in der Stadt mit Unterstützung der Bürger nachhaltig verbessert werden könnte, sondern die Frage, wie sich die Stadt nach außen hin in Sachen Klimaschutz optimal positionieren kann.
Wer glaubt, Passivhäuser mit Grünflächen gleichsetzen zu dürfen, Radschnellwege andenkt, aber den Ausbau von Straßen fordert, als Ausgleichsflächen unberührte Waldstücke und naturbelassene Gärten benennt, stattdessen sich aber eine Marke „Nachhaltige Mobilität in Heidelberg“ wünscht, damit jeder Tourist gleich erkennt, in welch wunderbaren Welt er sich bewegt, der will nichts verstehen.
Seit Jahren wird in Heidelberg mit einem rasant anziehenden Tempo nachverdichtet, Kaltluftschneisen verbaut, Grünflächen vernichtet, Böden versiegelt, landwirtschaftliche Flächen für Gewerbe verbraucht. Es ist unbestritten, wie sehr gerade diese Maßnahmen dem Klima unumkehrbar und nachhaltig schaden.
„…und dadurch das Klima für nachfolgende Generationen schützen!“(Einladungstext Bürgerkonferenz).
Birgit Müller-Reiss 25.2.2013
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