STADTPOLITIK HEIDELBERG
Kommunalpolitisches Netzwerk
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Berichte / Stellungnahmen 2017

Umstrittenes Bauvorhaben in Neuenheim infrage gestellt?

Auf dem Grundstück Lutherstr. 17-19 will der Eigentümer ein Hotel errichten. Dagegen erhebt sich in Neuenheim Protest. Vor allem die Fassadengestaltung stößt auf Widerstand bei Neuenheimer Bürgern. Auch die nach dem Architektenwettbewerb beantragte Variante füge sich mit ihrer dominierenden Fassade nicht in die Umgebungsbebauung ein und passe nicht zum historischen Marktplatz. Das bestehende Wohnhaus solle abgerissen werden, obwohl es gut den heutigen Wohnansprüchen angepasst werden könnte. Kritisch gesehen wird auch das erhöhte Verkehrsaufkommen durch die Gäste eines Hotels. Dazu komme, dass weitere Hotelneubauten in der Innenstadt geplant sind oder realisiert werden (Pizzeria Da Claudia/ Brückenstraße, Post/Sofienstraße). Mehr als 1000 Bürger unterzeichneten bei einer Unterschriftenaktion.

Jetzt droht dem Projekt neues Ungemach: Der Untergrund des Grundstückes und der Nachbargrundstücke besteht aus Sand. Bei Sondierungen wurde klar, dass die beabsichtigte tiefe Baugrube aufwändige Sicherungsmaßnahmen erfordert, um die angrenzenden Häuser nicht zu gefährden. Dem Bauherrn wurden deshalb vom Baurechtsamt Sicherungsmaßnahmen für die Nachbargrundstücke und die angrenzende Straße auferlegt. Deshalb strebt der Bauherr eine Lösung an, die den Sand unter den Nachbarhäusern teilweise durch eine Betonkonstruktion ersetzt. Hierzu sind die Nachbarn angesichts der damit verbundenen Risiken für die Bausubstanz allerdings nicht bereit. Da es bei dieser Auseinandersetzung um hohe Schadenssummen handeln könnte, wird die Auseinandersetzung inzwischen durch anwaltliche Schriftsätze ausgetragen. Möglicherweise droht ein längerer Streit vor Gericht.

awl 15.3.2017


Bunte Linke: Bewertung des Handlungsprogramms Wohnen

Einige grundsätzliche und kritische Bemerkungen zum „Handlungsprogramms Wohnen“ [fett: Originaltext, kursiv: Anmerkungen]

Präambel/Einleitung

Wohnungspolitisches Konzept für eine attraktive Stadt

Die Attraktivität der Universitätsstadt und die Prosperität des Wirtschaftsstandorts haben in den vergangenen Jahren zu einem starken Bevölkerungs- und Beschäftigtenzuwachs geführt. (S. 5)

Die Zahl der Arbeitsplätze hat von 1960 bis 1990 mit dem Ausbau der Universität rasant und in der Folge langsamer, aber stetig, zugenommen. Die Anzahl der in Heidelberg wohnenden Berufstätigen hat sich bis 2010 kaum verändert. Erst mit der Besiedelung der Bahnstadt und weiterer Baugebiete nahm die Einwohnerzahl deutlich zu.

 

Die Stadt muss die anhaltend positive Entwicklung aktiv begleiten, damit der Wohnungsmarkt und die Bereitstellung von adäquaten Wirtschaftsflächen nicht zum Entwicklungshemmnis für die gesamte Stadtentwicklung werden.
(S. 5)

Die Autoren hätten es sich auch einfacher machen und sagen können: Unser Ziel ist es, dass die Stadt ungebremst weiter wächst. Gesichtspunkte des Umweltschutzes spielen dabei keine Rolle. Dass sich dadurch eine „attraktive Stadt“ entwickelt, darf mit Fug bezweifelt werden. Selbst OB Würzner meinte in einem Interview zum Jahreswechsel „Wir werden nicht grenzenlos wachsen und uns auf Kosten der Landschaft und Natur weiter ausdehnen können.“ (RNZ vom 29.1.2016).

Die Nachfrage nach Wohnraum ist in allen Marktsegmenten aufgrund des starken Bevölkerungswachstums hoch.

Hier fehlt die innere Logik: Die Bürger, die schon hier wohnen, fragen wohl kaum weitere Wohnungen nach. Es ist das Wachstum an Arbeitsplätzen, die zu einer erhöhten Nachfrage an Wohnungen führt. Schließlich haben wir in Heidelberg seit den 90er Jahren rund doppelt so viele Arbeitsplätze, wie Berufstätige hier wohnen.

 Die Betrachtungsweise der Autoren führt dann auch dazu, dass sie nur die Angebotsseite des Wohnungsmarktes betrachten:

Der anhaltenden Nachfrage muss ein entsprechend erweitertes Angebot zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten würden in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft die Preise, also die Wohnkosten, weiter steigen.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, was in den letzten Jahren an Wohnungen und Arbeitsplätzen in der Bahnstadt und auf den Konversionsflächen fertiggestellten und geplanten wurde. Dazu enthält das Handlungsprogramm keine Zahlen. Das erfordert ein Zusammentragen aus verschiedenen städtischen Vorlagen und Papieren. Es lässt sich aber einigermaßen abschätzen.

Die Tabelle von Wohnen vs. Gewerbe auf den bisher überplanten Bereichen von Bahnstadt/ Konversionsflächen ergibt: Es wurden Wohnungen für etwas mehr als 9 000 Menschen gebaut/geplant und Gewerbefläche für rund 10 000 Arbeitsplätze ausgewiesen. Von einer Entlastung des Wohnungsmarktes kann – zumindest bisher - also keine Rede sein.

 

Fläche

Wohnungen

Bewohner*)

Arbeitsplätze

Bahnstadt

3.300

5.940

5.000

Mark Twain /Campell

1.500

3.240

1.800

Patton Baracks

0

0

3.000

Hospital

600

1.080

100

 

 

 

 

Summe

5.400

9.260

9.900

Planungen Stand August 2016. *) Wohnungen x 1,8 entsprechend durchschnittlicher Haushaltsgröße

Bestandsentwicklung und Neubau zur Bewältigung des Wachstums

Welches Wachstums? Der Gewerbefläche? Der Zahl der Bewohner?
Zur Logik dieser Formulierung s.o. unter „Nachfrage nach Wohnraum“.

Prognosen gehen davon aus, dass sich der Beschäftigten- und Einwohnerzuwachs in den kommen-den Jahren fortsetzt. Die Stadt Heidelberg rechnet bis 2020 mit einer Zunahme von mindestens 5.000 Einwohnern. Das Statistische Landesamt geht in seiner aktuellen Bevölkerungsprognose ebenfalls von einem starken Bevölkerungswachstum in Heidelberg aus, das bis 2025 bis zu 16.000 Einwohner betragen könnte. …

Um den ermittelten Gesamtwohnungsbedarf bis 2030 zu decken, ist eine Zielgröße beim Wohnungsneubau von mindestens 800 Wohnungen pro Jahr erforderlich. (S6)

Bei den Prognosen handelt es sich nicht um komplexe und validierte Rechenmodelle, sondern um Regressionsanalysen für einzelne Faktoren, die – soweit bekannt – nicht einmal mit der „historische“ Entwicklung von 1960 bis 2010 abgeglichen worden sind. Sie erlauben insbesondere nicht, die Wirkung einzelner Faktoren, etwa das Wachstum an Arbeitsplätzen, ein Anwachsen der Studentenzahl oder Veränderungen der Immobilienpreise getrennt oder in Kombination zu untersuchen. Entsprechend wenig aussagefähig sind die Ergebnisse und die Schlussfolgerungen daraus.

Zur Beurteilung der potentiellen Wohnungsnachfrage wäre zumindest eine repräsentative Erhebung bei den nach Heidelberg einpendelnden Arbeitnehmern - neben sozialen Daten - zu folgenden Faktoren notwendig,

  • ob sie aus Heidelberg weggezogen sind,
  • aus welchem Grund,
  • wenn nein, weshalb sie nicht zugezogen sind,
  • unter welchen Bedingungen, insbesondere bei welchen Mietpreisen, sie eine Wohnung in Heidelberg nachfragen würden.

Eine ähnliche Erhebung müsste für die einpendelnden Studenten durchgeführt werden.

Der Gebäude- und Siedlungsbestand ist ein weiteres Handlungsfeld, das neben baulichen Ergänzungen vor allem in qualitativer Hinsicht bedeutsam ist. (S.6)

Die später genannten 3 800 notwendigen Ersatzwohnungen sind sicher zu hoch gerechnet. Worauf beruht die Schätzung? Meist wird renoviert. Auch wenn abgerissen wird, ist kein größerer Flächenbedarf zu erwarten. In der Regel wird in Heidelberg bei Abriss die Geschossflächenzahl und die Zahl der Wohnungen erhöht.

Ein bedarfsgerechtes Siedlungswachstum soll steigenden Miet- und Wohnungspreisen und der Wohnungsknappheit entgegenwirken und dem steigenden Veränderungsdruck aktiv begegnen, um die Attraktivität des Wirtschafts- und Hochschulstandorts Heidelberg zu sichern und die soziale Stabilität zu erhalten. (S. 7)

Von welchem Bedarf ist die Rede? Gewerbe? Universität? Urbanität? Wohnen? Die beiden ersten „Bedarfe“ führen zu mehr Nachfrage nach Wohnungen und zu höheren Miet- und Wohnungspreisen.

Nur eine kontinuierlich hohe Neubauleistung kann preisdämpfend auf den gesamten Wohnungsmarkt wirken und den Zugang aller Bevölkerungsgruppen zum Wohnungsmarkt sichern. (S. 7) …

  Wohnraum für Alle“, lautet die Aufforderung an alle planerisch und politisch Handelnden im aktuellen Stadtentwicklungsplan (STEP) Heidelberg 2015. Die Stadt Heidelberg strebt eine ausreichende Versorgung mit Wohnungen, insbesondere für Haushalte mit durchschnittlichem und unterdurchschnittlichem Einkommen an. (S. 7-8)

Der Neubau von Wohnungen ist sicher das wesentliche Element, den aus den Fugen geratenen Wohnungsmarkt zu konsolidieren. Allerdings dürfen diese Bemühungen nicht dadurch konterkariert werden, dass in der Bahnstadt und auf den Konversionsflächen in großem Umfang Gewerbegebiete ausgewiesen werden und mehr Arbeitsplätze als Wohnungsraum für Menschen entstehen. Zu Beginn der Diskussion über die Entwicklung der Konversionsflächen stand der Wohnungsbau ganz im Vordergrund, weil in Heidelberg zuvorderst Wohnungen fehlen. Dies wurde aber nicht durchgehalten. In den bisherigen Planungen stehen Wohnungen an zweiter Stelle (s.o.).  

Wohnungen mit Mietpreisbindung („ Wohnungen, insbesondere für Haushalte mit durchschnittlichem und unterdurchschnittlichem Einkommen“) müssen subventioniert werden. Hierbei muss man von folgenden Voraussetzungen ausgehen:

  • Das Land stellt hierfür nicht ausreichend Mittel zur Verfügung – für das laufende Haushaltjahr stehen für über 1 000 Kommunen gerade einmal 250 Mio. Euro an Zuschüssen bereit.
  • Das Baulandmanagement der Stadt führt zwar zum Bau von preisgebundenen Wohnungen. Es führt aber gleichzeitig dazu, dass die übrigen Wohnungen im Quartier teurer werden, da private Inverstoren die Minderung ihrer Rendite nicht akzeptieren und auch die Wohnungsbaugenossenschaften die nötigen Zuschüsse nicht übernehmen, sondern die Kosten auf die nicht-preisgebundenen Wohnungen umlegen werden.
  • Soll die Bereitstellung von preisgebundenem Wohnraum in größerem Umfang gelingen, wird die Stadt diese Wohnungen subventionieren müssen. Es müssen hierfür relevante Finanzmittel eingesetzt werden. Die Bunte Linke hat hierauf bereits in der Haushaltsberatung hingewiesen und für mehrere Jahre wiederholte Kapitalerhöhungen der GGH gefordert.  

Generell: Räumliche Anordnung von Wohnen und Arbeiten wichtigste Fragen der Stadtentwicklung  

Die räumliche Anordnung von Wohnen und Arbeiten sind so wesentliche Vorgaben für die Struktur einer Stadt, dass sie nicht losgelöst von den Fragen städtebaulichen und sozialen Struktur der Stadt und der Stadtteile, von Fragen des Verkehrs, von Fragen der Umweltschutzes diskutiert werden können. Dies geschieht im Handlungsprogramm Wohnen und im gleichzeitig beratenen Wirtschaftsentwicklungskonzept allenfalls ansatzweise. Was wir brauchen ist eine Überarbeitung des Stadtentwicklungsplanes, insbesondere des Modells räumlicher Ordnung.

Heidelberg, den 23.1.2017 Arnulf Weiler-Lorentz


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